Geschichte der Evangelischen Kirche

Ein Evangelisches Österreich?

Wussten Sie, dass kurz nach der Reformation am Ende des 16. Jahrhunderts zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung evangelisch gesinnt waren?

Trotz zahlreicher Verbote und Einschränkungen verbreiteten sich auch in Österreich rasch protestantische Schriften und Überzeugungen. Viele Menschen wurden evangelisch und vor allem die mächtigen adeligen Stände kämpften beim Kaiser um ihr Recht ihren protestantischen Glauben auch offiziell ausleben zu dürfen. Dies war im 16. Jh. in Teilen Österreichs auch kurz möglich, in dieser Zeit wurden Evangelische Schulen und Kirchen gebaut, in vielen vormals römisch-katholischen Kirchen wurden protestantische Prediger eingesetzt.

Gegenreformation – Glaube oder Heimat

Doch das Vorrecht „anders“ zu glauben hielt in Österreich nur kurz, bald wurde der Evangelische Glaube wieder durch den Kaiser verboten. Die Gegenreformation setzte ein und damit das Bemühen der Obrigkeit und der römisch-katholischen Kirche durch gezielte Maßnahmen die Reformation in Österreich rückgängig zu machen.

Diese Maßnahmen gingen sogar so weit, dass Evangelische vor die Wahl gestellt wurden entweder ihr Zuhause, samt Hab und Gut zu verlassen, oder ihrem evangelischen Glauben abzuschwören („Glaube oder Heimat“). Viele Evangelische mussten so ihre Heimat verlassen, wenige davon wanderten freiwillig in ein Land aus (va. Deutschland), wo sie ihren Glauben leben konnten. Trotz Verbot und Verfolgung hielten sich gerade in abgelegenen österreichischen Gebieten protestantische Gläubige und lebten dort ihren Glauben im Geheimen weiter (Geheimprotestantismus). Wurden sie entdeckt, was immer wieder geschah, drohte auch ihnen die Deportation aus Österreich.

Von der Duldung zur Gleichberechtigung

Erst 1781 – 200 Jahre nach dem Höhepunkt der Reformation in Österreich – wurde die Evangelische Kirche durch das Toleranzpatent von Kaiser Joseph II. anerkannt. Trotz vieler Einschränkungen und Erschwernissen, konnten nun erstmals Evangelische Pfarrgemeinden gegründet und natürlich auch Kirchen (Bethäuser) gebaut werden. Diese durften jedoch nicht von außen als solche erkennbar sein, duften weder Turm noch Glocken oder typische Glasfenster haben, außerdem auch keinen Eingang von der Hauptstraße aus. Auch eigene Pfarrer und Lehrer konnten berufen werden. Und was für den einzelnen Evangelischen wichtig war: Er konnte Meister werden, Bürgerrechte erhalten und studieren. Zwischen 70.000 und 80.000 Menschen meldeten sich im Gebiet des heutigen Österreich und bekannten, evangelisch zu sein. Die ehemaligen Geheimprotestanten wurden das Fundament der neuen Evangelischen Kirche in Österreich, denn die finanziellen Mittel und der immense Arbeitsaufwand für den Aufbau der Kirche kamen natürlich von den Gemeindegliedern selbst, die nun endlich ihren Glauben – wenn auch eingeschränkt und noch nicht gleichberechtigt – leben konnten.

Die Gleichberechtigung der Evangelischen Kirche A.B. und H.B. in Österreich mit der Römisch-katholischen Kirche ergab sich schließlich durch das Protestantenpatent 1861.

Belastungsprobe

Die ideologische und rechtsradikale Ausrichtung im Österreich der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war für die Evangelische Kirche eine starke Belastungsprobe, der sie nicht immer standhielt. Als so manche erkannten, dass „Heim ins Reich“ alles andere bedeutete als Rückkehr in das Mutterland der Reformation, war es für viele und für vieles zu spät. Natürlich gab es einzelne Mahner, Männer und Frauen, die Widerstand geleistet haben, aber die Kirche als solche schaffte das nicht. Die Erfahrung des lrrtums, der Schuld und der Verfehlung in diesen Jahren war erst in der letzten Zeit Anlass für öffentliches Bekenntnis.

Freie Kirche im freien Staat

Heute regelt das Protestantengesetz, welches das österreichische Parlament 1961 beschlossen hat, das Verhältnis von Staat und Evangelischer Kirche. Freie Kirche im freien Staat ist das Motto, das beiden lnstitutionen uneingeschränkte Selbstständigkeit zusichert, aber auch Platz lässt für vielfache gute Zusammenarbeit.

 

Sie haben Lust bekommen mehr über die Geschichte der Evangelischen Kirche in Österreich zu erfahren? Hier ein paar Tipps und Anregungen:

Unser Buch-Tipp:

Österreichische Geschichte. Geschichte des Christentums in Österreich. Von der Spätantike bis zur Gegenwart“ von Herwig Wolfram, Rudolf Leeb, Maximilian Liebmann und Georg Scheibelreiter von Ueberreuter (Gebundene Ausgabe - November 2003)

Unser Wander-Tipp:

„Der Weg des Buches“ – Auf dem Weg der Bibel-Schmuggler durch Österreich – Ein Evangelischer Pilgerweg. Mehr dazu unter: www.wegdesbuches.at

Unser Internet-Tipp:

Das virtuelle Evangelische Museum: museum.evang.at